Beim Parteikonvent handelt es sich um die „kleinere“ Variante eines Parteitages, der zwischen den Bundesparteitagen die regelmäßig alle zwei Jahre stattfinden, das höchste Beschlußorgan der SPD ist.
Beim Parteikonvent ging es ursprünglich um diverse Punkte, medial war am Ende aber vor allem das Thema Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) in der Diskussion präsent.
Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof hatten die VDS in Deutschland bereits gekippt. Dennoch wurde – vordergründig maßgeblich auf Betreiben der SPD und ihres Vorsitzenden Sigmar Gabriel – die Vorratsdatenspeicherung wieder auf die Tagesordnung gesetzt und der SPD-Ortsverein Bochum-Ehrenfeld (in dem ich stellvertretender Vorsitzender bin) hat – wie über 100 andere Gliederungen der SPD – Anträge GEGEN die Vorratsdatenspeicherung zum Parteikonvent gestellt.
Wie man jetzt den sozialen Netzwerken (in diesem Fall insbesondere Twitter) entnehmen kann, hat jedoch der Parteikonvent der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt:
Natürlich macht mich das erst einmal traurig, denn wirkliche Beweggründe dafür gibt es meiner Meinung nach nicht, die Argumente, die die Befürworter präsentierten sind meiner Meinung nach nicht stichhaltig genug, um eine anlasslose und verdachtsunabhängige Überwachung aller 80 Millionen Bundesbürger zu rechtfertigen. Dazu kommen dann noch „Detailfehler“ im Gesetz, die dazu beitragen werden, dass die damit gewünschten Ziele eben nicht erreicht werden. Denn während die von den höchsten Gerichten geforderten Ausnahmen (nicht-Speicherung der Daten von bestimmten Berufsgruppen) durch den Gesetzgeber ignoriert werden, gibt es andere Lücken, die dafür sorgen, dass die Schwerstkriminellen, die man damit dingfest machen will, sich vermutlich drüber amüsieren. Denn wenn sie es geschickt anstellen (nein, ich gebe hier keine Anleitung dazu!), dann können sie davon unerfasst bleiben. Es bleiben also Otto Normalverbraucherin und Regina Musterfrau, die davon primär betroffen sind. Ein Generalverdacht den ich persönlich für unerträglich halte. Ein Generalverdacht, der meiner Meinung nach dazu führen wird, dass das Gesetz von den zuständigen Gerichten wieder einkassiert werden wird.
Warum macht die SPD, warum macht vor allem Sigmar Gabriel, das?
Das ist eine gute Frage. Die vordergründige Aussage, dass das auf Grundlage eines Parteitagsbeschlusses und des Koalitionsvertrages geschieht ist nur auf den ersten Blick schlüssig. Denn auf dem zweiten Blick erkennt man, dass beide Gründe (sowohl der Beschluss von 2011 als auch der Koalitionsvertrag von 2014) auf der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung basieren. Die vom EuGH einkassiert und für null und nichtig erklärt wurde.
Man will gegen den Terror Maßnahmen ergreifen…
Lange Zeit hieß es, dass die SPD Angst hat, dass im Fall eines Terroranschlags in Deutschland es nachher heißen würde, dass die SPD schuld daran sei – eben weil es keine Vorratsdatenspeicherung geben würde.
Das Argument ist fies. Denn es spielt mit Emotionen und unterdrückt die Sachlichkeit. Sachlich richtig ist es beispielsweise, dass in Ländern wie Frankreich die Vorratsdatenspeicherung nicht geholfen hat die Anschläge auf Charlie Hebdo zu verhindern. Und der Attentäter von Norwegen wurde auch ohne Vorratsdatenspeicherung geschnappt.
Regierungsfähigkeit der SPD sichern?
In den letzten Tagen kam immer wieder das Argument auf, dass die Spitze der SPD befürchtet nicht regierungsfähig zu sein, wenn man hier dem Koalitionspartner nicht entgegen kommt. Die Gefahr, dass die SPD von der CDU aus der Bundesregierung geschmissen wird, sehe ich jedoch als recht gering an. Die FDP hat es jahrelang geschafft, CDU und CSU klar zu machen, dass es mit ihr keinen neuen Versuch in Sachen Vorratsdatenspeicherung gibt. Dadurch wurde die Regierungsfähigkeit der FDP nicht in Frage gestellt…
Ein anderes Aspekt dahingehend könnte sein, dass ein potentieller SPD-Kanzlerkandidat Sigmar Gabriel einfach mal testen wollte, wie weit ihm die SPD folgt. Eine These, die durch eine Zeitung verbreitet wurde und wonach Gabriel ansonsten 2017 nicht als Kanzlerkandidat antreten würde.
Ob die Regierungsfähigkeit der SPD sich daran bemisst, dass man ohne Not Positionen der CDU durchsetzt, wage ich mal zu bezweifeln…
Interessant auch, dass anscheinend in diesen Tagen wieder die Basta-Mentalität durchscheint. Ein Sigmar Gabriel war mal angetreten um das zu ändern.
Ein Tauschgeschäft?
In einer der zahlreichen Diskussionen zu diesem Thema kam die Idee auf: Vielleicht macht die SPD das als Teil eines politischen Kompromisses.
Man darf ja nicht vergessen: Die SPD ist der kleinere Koalitionspartner gegenüber der CDU. Doch programmatisch hat sich bisher vor allem die SPD mit ihren Ideen und Zielen (Mindestlohn, Rente mit 63 usw.) durchgesetzt. Die CSU hat ihre Maut (die gerade anscheinend krachend scheitert) und die CDU? Außer der Kanzlerin bisher nichts.
Vielleicht wollte die CDU endlich auch mal einen Erfolg für sich – und hat damit die SPD unter Druck gesetzt. Und wer weiß, vielleicht wurde die Zustimmung zum Mindestlohn oder zu einer anderen sozialdemokratischen Idee damit erkauft.
Das wären wenigstens mal Argumente seitens der VDS-Befürworter in der SPD-Spitze, die man verstehen könnte…
Was mich an der ganzen Debatte nervte…
… waren nicht mal unbedingt die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Ein paar wenigen davon bin ich auch begegnet und mit ihnen kann man ja auch ganz normal reden. Wiewohl ich halt eine andere Meinung dazu habe, aber das gehört halt in der Politik auch dazu.
Aber nervend fand ich all die Anmerkungen und Kommentare von VDS-Gegnern, die in den vergangenen Tagen und Wochen über die VDS und damit verbunden über die SPD lästerten.
Die SPD ist und bleibt die einzige Partei, wo in der ganzen Breite, vom Ortsverein, über Stadtbezirke, Unterbezirke bis hin zu Landesverbänden über die Vorratsdatenspeicherung diskutiert wurde.
Nur die SPD hatte es in der Hand im Vorfeld die VDS zu verhindern. Bei CDU und CSU ist man ja sowieso eher dafür – und andere Parteien (damit einen Gruß an diverse Piraten!) hatten dafür im Vorfeld keine Möglichkeit zu. Wenn dann deren VDS-Gegner die SPD-Mitglieder, die sich gegen die VDS engagieren, dann noch angreifen, dann ist das alles andere als hilfreich.
Was mich an der ganzen Debatte freute…
Das Ergebnis zeigt aber, dass Parteiführungen nicht einfach nach dem Motto „weiter so“ vorgehen können. Ursprünglich sollte der Parteikonvent ja gar nicht darüber debattieren, aber nachdem dann soviele Anträge dazu eingereicht wurden, war wohl schnell klar, dass das nicht geht.

Das Vorgehen der Antragskommission, das empfahl die Anträge abzulehnen, gleichzeitig aber quasi eine Vorlage für den Parteivorstand schrieb, wie man am besten einen „Gegenantrag“ dazu (der pro VDS ist) schreibt, war schon ein wenig grotesk.
Fast so grotesk wie das vom Parteivorstand initiierte Papier, welches in den Medien insbesondere von Innenpolitikern als „Kompromiss“ bezeichnet wurde. Ein Kompromiss der keiner war und wo man dann plötzlich sachfremde Inhalte (die sich gegen Apple, Facebook, Google & Co. richteten) einbaute.
Danke schön…
Es gilt ein Dankeschön zu sagen. Unter anderem an den Genossen Henning Tillmann, der federführend für den Verein D64 (in dem ich auch Mitglied bin) den Musterantrag gegen die VDS geschrieben hat und der in den letzten Wochen viel ehrenamtliche Zeit da ‚reingesteckt hat.
Dank auch an die anderen Mitglieder von D64 (die zum Teil auch gar keine Genossen sind), die sich dafür engagiert haben.
Schön fand ich es, dass mein SPD-Ortsverein Bochm-Ehrenfeld sich gegen die VDS positioniert hat und einen entsprechenden Antrag einreichte.

Schön, dass im Stadtbezirk Mitte darüber engagiert diskutiert wurde, es war auch toll, dass sich die Jusos in Bochum dem Antrag aus Ehrenfeld angeschlossen haben.
Ebenfalls danken möchte ich der Bundestagsabgeordneten mit der ich mich über den Antrag ausgetauscht hatte und die vorab von uns über den Antrag informiert wurde. Ebenso erinnere ich mich an ein gutes Gespräch mit der Konventsdeligiertin aus Bochum zur Thematik.
Konsequenzen für die SPD?
Ich denke der SPD wird diese Entscheidung nicht gerade zuträglich sein. Auf lange Sicht war das ein großer Fehler.
Schön aber, dass die Entwicklungen der letzten Wochen gezeigt haben, dass auch so ein „langweiliges Netzthema“ die Leute interessiert und zu Diskussionen anregt. Insofern hat die SPD sogar etwas gewonnen.
Und natürlich muss man in der Politik auch immer wieder mit Niederlagen umgehen. Es wäre ja viel zu einfach, wenn man sich mit allen Punkten immer durchsetzen würde.
Insofern gilt es, innerhalb der SPD für andere Positionen zu werben.
Wann kommt die Vorratsdatenspeicherung denn jetzt?
Der Bundestag soll nach der Sommerpause entscheiden. Und selbst wenn der SPD-Parteikonvent dagegen gestimmt hätte – da hätte es vermutlich eine Mehrheit sowieso für gegeben.
Nichtsdestotrotz bin ich gespannt wie beispielsweise die für Bochum zuständigen Abgeordneten abstimmen werden.
Jedoch bin ich mir relativ sicher, dass die Vorratsdatenspeicherung keinen Bestand haben wird. Nach all dem was ich dazu gelesen habe, ist dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht geeignet, die Bedenken von EuGH und BVerfG zu zerstreuen. Für mich ist es daher nicht unwahrscheinlich, dass dieses Gesetz von den zuständigen Gerichten gekippt wird.
… und dann stelle ich mir noch mehr die Frage: Warum, liebe SPD und liebe Delegierten auf dem Parteikonvent, warum musstet ihr da zustimmen?