Shitstorm um die Stahlresolution im Stadtrat Bochum #ratBO

Willy-Brandt-Platz in Bochum vor dem Rathaus
Willy-Brandt-Platz in Bochum vor dem Rathaus

In der letzten Sitzung des Bochumer Stadtrates wurde am Anfang eine Resolution behandelt, welche die Solidarität mit den Beschäftigten in der Stahlindustrie zum Ausdruck brachte. Dort gibt es derzeit einiges an Unsicherheiten und in Bochum hängen da direkt wie indirekt viele tausend Arbeitsplätze dran – die Situation auf dem Weltmarkt in Sachen Stahl ist derzeit nicht gerade rosig und die Beschäftigten hier vor Ort haben ernste Befürchtungen.

Willy-Brandt-Platz in Bochum vor dem Rathaus
Willy-Brandt-Platz in Bochum vor dem Rathaus

Insofern ist es sicherlich nicht verkehrt, wenn der Rat der Stadt Bochum sich dazu – meines Wissens erstmalig – positioniert.

Doch nicht die Resolution sorgte für Diskussionsstoff, sondern ein Name bzw. ein Kürzel auf dem eingereichten Resolutionsvorschlag. Denn die Resolution wurde von den Fraktionen von SPD, CDU, Die Grünen, AfD und UWG eingebracht und mit großer Mehrheit (bei einigen Enthaltungen) verabschiedet.

Dazu gab es in den letzten Stunden einige aufgeregte Kommentare und ich führte auch einige Telefonate dazu, da ich gefragt wurde, wie es denn dazu kommen konnte, dass die SPD anscheinend gemeinsame Sache mit der AfD macht.

Vorweg: Ich bin kein Mitglied des Rates der Stadt Bochum (ich war mal Ratsmitglied in Olfen), aber ich berichte häufiger für das Pottblog aus Ratssitzungen. Insofern weiß ich vielleicht ein bisschen mehr als der normale Bürger, wie so eine Ratssitzung abläuft, wie manche Formalien sind – aber ich bin keine direkt involvierte Person und kenne daher auch nicht alle konkreten Abläufe in diesem Zusammenhang. Dank des Internets (und der dort veröffentlichten Erklärungen von direkt involvierten Personen) kann ich mir jedoch einen Reim darauf machen.

Ich heiße das ganze nicht gut, ich finde es eher schlecht (und ich bin auch gerne bereit auf das Wort „eher“ zu verzichten… für die Haarspalter, die die Formulierung „eher schlecht“ als „gut“ interpretieren), dass die AfD plötzlich en passant zum Trittbrettfahrer einer von der rot-grünen Ratsmehrheit initiierten Resolution wird.

Aber man kann es tatsächlich erklären – oder aber zumindestens versuchen:

Die Grünen im Rat der Bochum zur Stahlresolution:

Im Grunde genommen reicht es, wenn man die Erklärung der grünen Ratsfraktion zur Resolution wiederholt:

[…]
Die Frage, warum wir Grüne neben SPD, CDU, UWG auch mit der AfD auf dem Kopf der Resolution stehen, bedarf der Erklärung.

Unser Ziel war es, dass der Rat der Stadt Bochum mit der Resolution ein deutliches Signal der Solidarität an die Beschäftigten bei Thyssen-Krupp sendet. Die Stahlindustrie war für diese Stadt über viele Jahrzehnte prägend. Der Strukturwandel hat die Stadt sehr gebeutelt, zuletzt durch die Schließung des Opel-Werks. Jetzt sind bei Thyssen-Krupp möglicherweise mehrere Tausend Arbeitsplätze in Gefahr.

Resolutionen müssen nach der Geschäftsordnung des Rates 2 Kalendertage vor der Ratssitzung eingebracht werden. Wird die Frist nicht eingehalten, kann eine Resolution nur dann verabschiedet werden, wenn alle Fraktionen einer Behandlung zustimmen. Wäre die AfD außen vor gehalten worden, hätte das große Risiko bestanden, dass die Resolution nicht zustande kommt.

Sich als Grüne an der Resolution nicht zu beteiligen, wäre ebenso erklärungsbedürftig gewesen. Da über Resolutionen im Bochumer Rat ohne Aussprache abgestimmt wird, gibt es auch kein parlamentarisches Forum, in dem wir hätten erklären können, weshalb wir uns nicht an einer Resolution beteiligen.

Bisher hat es keine gemeinsamen politischen Initiativen mit der AfD gegeben. Wir werden auch weiterhin keine Sachanträge mit der AfD stellen. In den Ratssitzungen werden wir unsere Reaktionen auf die Wortmeldungen der AfD auch weiterhin auf das Allernötigste beschränken, um ihnen nicht zusätzlich die Bühne zu bereiten. Wir werden weiter für ein solidarisches und weltoffenes Bochum kämpfen: bei der Organisation der Menschenkette im Juni waren wir in vielfältiger Weise beteiligt. 2014 haben wir den Initiativkreis Flüchtlingsarbeit angestoßen, in dem heute über 40 Organisationen der Bochumer Flüchtlingsarbeit vernetzt sind. Wer uns jetzt verdächtigt, gemeinsame Sache mit den Rechten zu machen, hat entweder die Maßstäbe verloren oder versucht sich selbst zu profilieren.
[…]

Besser kann man es eigentlich nicht ausdrücken. Insofern war vor allem ein Mangel an Zeit das Problem, vor allem wenn man aus anderen Erklärungen von Ratspolitikern weiß, dass der gewerkschaftliche Wunsch nach einer Solidarisierung durch die Stadt erst sehr spät kam.

Trotzdem keine tolle Sache, dass man plötzlich die Abgrenzung zur AfD in einer formellen Sache aufgeben musste, um die richtigen Inhalte zu transportieren.

Bei der SPD gibt es zum Stahl mehr als nur Resolutionen…

Übrigens: Die SPD engagiert sich nicht nur in Sachen Resolutionen für die Belange der Stahlindustrie (siehe auch „Die gesamte SPD zieht an einem Strang für den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer starken Stahlindustrie“ bei der SPD Bochum). Auf diversen politischen Ebenen engagieren sich die Vertreter der SPD Bochum für die Belange der Stahlindustrie. So haben beispielsweise Kollegen der AfA Bochum auf dem AfA-Bundeskongress kürzlich in Duisburg für eine entsprechende Positionierung gesorgt, die Mandatsträger auf allen politischen Ebenen suchen mit anderen Entscheidungsträgern dazu die Diskussion, es gibt Anträge dazu und die nächste Betriebsgruppenkonferenz der AfA Bochum wird bei ThyssenKrupp stattfinden und den nordrhein-westfälischen Arbeitsminister Reiner Schmelzer zu Gast haben – und natürlich wird da auch das Thema Stahl eine wichtige Rolle spielen.

PS: Ein „Dammbruch“ ist es übrigens im Bochumer Rat nicht gewesen. Denn dieser „Damm“ ist schon gebrochen – und zwar ohne formelle Not (wie es jetzt bei der Stahlresolution der Fall war). Siehe dazu auch den Beitrag Tabubruch: AfD, CDU, FDP & Co. stellten erstmalig in Bochum gemeinsamen Antrag #ratBO.
Denn bei diesem Antrag war es nicht notwendig, dass die AfD von CDU, FDP & Co. eingeladen wurde, um mit als Antragsteller genannt zu werden. Das ist zwar nur ein schwacher Trost, aber es ist auch bezeichnend, dass damals die Aufregung über die (tatsächliche, inhaltliche) Zusammenarbeit mit der AfD viel geringer war.