Wirrwarr bei den Corona-Regeln in NRW: Im Tagestakt neue Verordnungen, die vermutlich nicht helfen

Jetzt aktuell wird die Inzidenzstufe 3 in NRW durch die neue Corona-Schutzverordnung „ausgesetzt“. Ob sich auch das Virus daran hält?

Symbolbild: Corona
Symbolbild: Corona Bild: Pete Linforth/Pixabay

Seit mehr als einem Jahr leben wir unter den Eindrücken der Corona-Pandemie. Das die Regeln des Miteinanders im Laufe der Zeit angepasst werden ist mehr als verständlich. Das jedoch – insbesondere in Nordrhein-Westfalen – die Corona-Schutzverordnung jetzt anscheinend (etwas übertrieben gesehen) täglich abgeändert wird, macht die Situation nicht besser. Einerseits verwirrt es natürlich, wenn immer wieder neue Regelungen gelten. Andererseits muss man sich bei einigen der Änderungen wirklich fragen, ob diese sinnvoll sind. Sinnvoll in dem Sinn, dass sie dazu beitragen, dass die Corona-Pandemie eingedämmt wird.

Aktuell hat die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wieder (mit Wirkung vom heutigen 30. Juli 2021) die Corona-Schutzverordnung geändert: Nordrhein-Westfalen setzt mit neuer Corona-Schutzverordnung die Inzidenzstufe 3 aus

Nordrhein-Westfalen setzt mit neuer Corona-Schutzverordnung die Inzidenzstufe 3 aus

Wenn man sich die letzten Änderungen in Nordrhein-Westfalen anschaut, dann fragt man sich schon, warum man das macht:

  • Einführung Inzidenzstufe 0: Es mag vielleicht sinnvoll sein, bei sehr geringen Inzidenzen eine eigene Inzidenzstufe einzuführen. In NRW gilt dies für stabile Inzidenzen von unter 10. Aber musste man denn wirklich auch die Kontaktnachverfolgung in dieser Inzidenzstufe beenden? Gerade wenn es eine so geringe Inzidenz gibt, kann man diese doch noch viel einfacher nach verfolgen!
  • Neue Regel, ab wann höhere Inzidenzen gelten: „Früher“ war es so: Wenn die Inzidenz fällt, wartet man lieber noch etwas ab. Insbesondere weil Feiertage und das Wochenende die Werte beeinflussen könnten (da dort weniger getestet wird). Bei einem Anstieg der Inzidenzen war man aber schneller, nach dem Motto: „da muss dann ja was getan werden!“ Das fand ich richtig – aber dass die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen still und heimlich und ohne große Erklärung die Zeitdauer, ab wann eine höhere Inzidenzstufe gilt, auf 8 Tage erhöht hat, lässt sich nicht wirklich mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie in Einklang bringen.
  • Aussetzen der Inzidenzstufe 3: Auch wenn die Inzidenzwerte bei mindestens 50,1 liegen gilt grundsätzlich weiterhin die Inzidenzstufe 2. Aber nicht in Nordrhein-Westfalen – jedenfalls nicht bis zum 19. August 2021, denn so lange gilt die neue Corona-Schutzverordnung erstmal. Ob sich das Virus auch daran hält?

Natürlich habe ich Verständnis, dass man – insbesondere unter dem Aspekt, dass immer mehr Menschen geimpft sind – sich nicht mehr nur die Inzidenzwerte anschaut. Aber das Problem mit der neuen Regelung ist, dass wir damit auch einen Flickenteppich an Regelungen bekommen und keinen einheitlichen Standard für das Land. Welchen Sinn ergibt es, wenn in Bochum andere Regeln als beispielsweise in Dortmund oder Essen gelten?

Dazu schreibt Thomas Kutschaty, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag von Nordrhein-Westfalen, in einer Presseerklärung:

„Ohne einheitliche Regelungen wird Nordrhein-Westfalen zu einem Maßnahmen-Flickenteppich. So sehr ich den einzelnen Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Gastronomiebetrieben ein paar Tage mehr Freiheit gönne, wir mussten in der Vergangenheit zu oft lernen, welch fatale Auswirkungen solch kurzsichtige Entscheidungen nach sich ziehen.“

Meine Vermutung: Armin Laschet wartet ab…

Ich vermute jedoch noch einen ganz anderen Grund, warum das jetzt so geregelt wird.

Die bisherige Corona-Schutzverordnung galt noch bis Anfang August. Das nächste Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer zusammen mit der Bundeskanzlerin findet erst einige Tage später statt. Vielleicht wollte Armin Laschet, dem man ja immer wieder mal eine gewisse Zögerlichkeit nachsagt, einfach abwarten, was dort so besprochen wird und hat deswegen einfach den jetzigen Stand einfach „eingefroren“ bis zu dieser MPK (MinisterpräsidentInnen-Konferenz) mit der Bundeskanzlerin. Denn dass es sinnvoll ist einheitliche Regeln für einheitliche Umstände zu schaffen, sollte klar sein. Das gilt nicht nur für alle Bundesländer in Deutschland, sondern auch für alle Landkreise und kreisfreie Städte in Nordrhein-Westfalen.

Meine nächste Vermutung: Demnächst achtet man nicht nur noch auf Inzidenzen

Für mich ist klar, dass die wachsenden Zahl der Impfungen die Situation ändert. Übrigens: Wer noch nicht geimpft ist und wo es keine medizinischen Gründe gibt, die dagegen sprechen, sollte sich impfen lassen – das schützt einen selbst und die gesamte Gesellschaft viel besser als irgendwelche Corona-Schutzverordnungen!

Vermutlich – und das könnte Thema der nächsten Besprechung auf Bund-Länder-Ebene sein – werden andere Werte auch angeschaut. Beispielsweise die Auslastung der Krankenhäuser oder der sogenannte R-Wert. So gibt es dahingehend beispielsweise im Land Berlin die entsprechende Corona-Ampel Berlin. Auf der verlinkten Website wird die Ampel und ihre Berechnung genauer erklärt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das demnächst eine Lösung auch für ganz Deutschland wird.